Sie fand sich nicht gut aussehend
Das war schon immer so und darum mied
sie inzwischen jeden Spiegel
Sie versteckte sich vor sich selbst
War sie alleine und wußte sich unbeobachtet,
dann und nur dann sah sie mal in einen
Spiegel hinein. Das, was sie sah, machte sie
zutiefst unzufrieden
Schmal war ihr Gesicht und sehr blass
Ca. fünf bis sechs Sommersprossen saßen
an den falschen Stellen
Die Augenbrauen fand sie zu dünn und zu fein
und jedes einzelne Härchen viel zu klein
Auch der Bogen sollte vollkommen anders sein
Die Augen waren viel zu groß und ihr Blau
so wässerig wie das Meer
Die Nase nur ein kleiner kecker Fleck und sie
wünschte sie sich aristokratisch und von edeler
Größe wie die der Frauen früher in ihrer Familie
die ihr auf Schritt und Tritt in prächtigen Rahmen
auf allen Fluren entgegenkamen
Ihre Wangenknochen waren hoch angesetzt und
gaben ihrem Gesicht einen fremdartigen Ausdruck
den sie nicht verstand
Ihr Mund war wie eine rote Kirsche und das ihr,
die Kirschen nicht mochte, sondern nur sonnensüsse
Erdbeeren und reife duftende Birnen im Herbst
Ihre farblosen Haare waren wie glatt gebügelt
und keine einzige winzige Locke war darin zu
finden, so oft sie auch suchte
Zu guter Letzt diese Ohren…
So winzig am Kopf und kaum zu erkennen,
so sehr schmiegten sie sich an
Nein, sie fand sich nicht schön, nichts stimmte
an ihr und über ihren Körper wollte sie lieber
nicht nachdenken…
Aber, na ja, der ging ja noch halbwegs, obwohl
die Beine auch viel zu schlank und viel zu lang
waren…
SIE wollte fest auftreten können, aber immer sah
sie aus wie eine Schneeflocke, die leicht wie eine
Feder über den Boden schwebte
Das mochte sie ganz und gar nicht
Bis der Mond kam und sie mit seinem silbernen
Glanz überzog, ihre Augen zu leuchten begannen
und das Nachtlicht ihr zeigte, was sie bisher
stets übersehen hatte…
So viele wunderhübsche Frauen gefallen sich nicht, weil sie dem gängigen Schönheitsideal
nicht entsprechen.
Da wird ihnen vorgegaukelt, wie dünn sie zu sein hätten und sind sie wohlgerundet, grämen
sie sich und versuchen, sich dünn zu hungern. Manchmal finden sie ihre Beine zu kurz
und erkennen nicht, wie gut sie zu ihrer weiblichen Form passen.
Es gäbe noch viel mehr zu sagen, aber eine Frau, die gar nichts an sich auszusetzen hat,
ist selten …